Bereits beim Aufstehen merke ich, dass mir der lange Tag von gestern noch in den Knochen steckt und heute gibt es schon wieder eine anstrengende Etappe: Wir fahren ins Eisacktal bis auf unter 500 Meter ab, nehmen dann den Radweg über Brixen und klettern anschließend 2100 Meter hoch bis zum Pfunderer Joch:
Ich habe bereits unser Hotel in Kematen gebucht und angekündigt, dass wir bis spätestens sieben Uhr eintreffen werden.
Wenn Frank am Ende des Tages fast genau um diese Zeit ankommt, wird er folgende Statistik vorweisen können:
- Strecke: 85,4 km
- Höhenmeter:
- Hoch: 2250 m
- Runter: 2530 m
- Höhe:
- Max: 2568 m
- Min: 470 m
- Zeit:
- Gesamt: 10:34
- Fahrt: 08:21
- Durchschnittsgeschwindigkeit: 10,2 km/h
Um 8:25 stehen wir bereit zur Abfahrt vor dem schönen Gasthof Frommer …
…. und düsen dann hinunter ins Tal:
Wir kommen am Schafstall vorbei, …
… den Frank gestern übrigens als optionale Übernachtungsmöglichkeit in Betracht gezogen hat 🙂
Dann geht es den Eisacktal-Radweg entlang, …
… der sehr schön angelegt ist:
Die Eisack führt ordentlich Wasser – ob es wohl gestern geregnet hat?
In Klausen bekommt man jedenfalls den Eindruck:
Ich schlage vor, hier ein Fahrradgeschäft zu suchen, um einen neuen Schlauch zu kaufen – aber Frank hat es eilig:
Auf verwunschenen Wegen …
… „fahren“ wir durch Weinbaugebiete, …
… wo wir aber nur mühsam vorankommen …
… und zum Innehalten kaum Zeit bleibt:
Dann treffen wir mal wieder auf ein lästiges Hindernis …
… und Frank meint etwas schnippisch, dass die blöden Kabel wahrscheinlich nur wegen der “digitalen Nerds” verlegt werden 🙂
Als wir aus dem schönen Wald …
… herauskommen, merke ich erst, wie heftig die Temperaturen sind – mein Tacho zeigt 47 Grad Celsius an:
Bei Mühlbach …
… fahren Frank und ich noch …
… zusammen:
Dann meint mein Kollege, dass es in Pfunders eine Kneipe gäbe und düst anschließend den Berg hinauf:
Ich muss leider abreißen lassen und quäle mich irgendwie das Tal hoch …
… bis Pfunders:
Endlich Pause? Pustekuchen, denn Franks Fahrrad steht nicht vor der Gaststätte – also fahre ich gezwungenermaßen weiter:
Zum Glück kühlt es etwas ab – nur noch 37 Grad:
Nachdem immer noch keine Spur von Frank zu sehen ist, entwickle ich zwei Theorien: Entweder ich habe sein Rad beim Gasthof übersehen und er ist jetzt hinter mir, oder er wartet auf der nächsten Kneipe auf mich – wo immer die auch sein mag. Ich rufe ihn an, aber es geht nur die Mailbox ran.
Unterwegs berichtet mir ein Wanderer, dass die Bodenalpe die nächste Einkehr sei – die lasse ich dann aber auch aus, weil sie einen Kilometer abseits der Route liegt und Frank sicher nicht den Umweg in Kauf genommen hat.
Also marschiere ich langsam weiter das Tal hinauf …
… und schaue immer wieder mal zurück, …
… um Frank vielleicht doch noch zu hinter mir sehen – aber selbst mein 30-fach Zoom kann ihn nicht entdecken:
Na ja, zumindest finde ich ab und zu ein paar lohnende Motive:
Schließlich erreiche ich …
… auf 1950 Metern die Weitenbergeralm, …
… wo mir ein kleiner Junge, der hier fleißig mithilft, erzählt, dass Frank vor 30 Minuten die Station Richtung Pass verlassen hat.
Weil ich ihn dann ja eh nicht mehr einholen kann, beschließe ich, eine kleine Pause einzulegen: Frank hat mir zwar unten ein Tütchen mit “Zeugs” gegen Krämpfe gegeben, aber mein Oberschenkel zwickt jetzt trotzdem. Leider haben sie hier keine isotonischen Getränke, also trinke ich stattdessen zwei Weizen (je 0,3 Liter).
Außerdem befolge ich noch den Rat vom Chef der Hütte, …
… einfach etwas Speisesalz einzunehmen:
Zur weiteren Stärkung gibt es noch eine extra große Portion Kaiserschmarren:
So bestens vorbereitet, breche ich dann zum letzten Abschnitt auf und blicke weiter oben nochmal zurück zur Hütte:
Ich komme an den Kühen …
… der Alm vorbei, …
… wo die Milch wohl direkt am Berg zu Käse gemacht wird – beim Essen habe ich beobachtet, wie der Chef einen Laib davon verkauft hat.
Ich schiebe also weiter den Trail hinauf …
… und erkenne die Strecke wieder, auf der ich 2015 mit Frank abgefahren bin:
Hier ein Archivbild mit dem Huflattich, den ich beim Sturz damals mitgenommen habe:
Auf dem weiteren Weg finde ich endlich Spuren von Frank …
… und stapfe zuversichtlich weiter:
Hinter mir kommen zwei junge Männer den Weg hochgefahren, …
… wobei mich der mit dem umgeschnallten Biertisch irgendwie stark an Buzz Lightyear erinnert:
Um halb sechs …
… soll es angeblich noch über eine Stunde bis zum Joch sein:
Jetzt ist es eh schon egal, also ich nehme mir die Zeit, eine schöne Wollgraswiese mit Kuh abzulichten:
Es ist still geworden hier oben …
… und ich bin fast alleine:
Nur die Kühe, …
… die Murmeltiere …
… und dieser scheue Steinschätzer leisten mir Gesellschaft:
Dann sind es nur noch wenige Meter bis zum Übergang …
… und ich blicke noch einmal zurück:
Ganz oben sehe ich die letzten Schneereste, …
… die aber Vergleich zu damals wirklich winzig wirken:
Am Pass erlaube ich mir noch ein Gipfelbild …
… und rufe anschliessend …
… beim Hotel an, um mitzuteilen, dass ich mich etwas verspäten werde. Die Frau am Telefon berichtet mir dann, dass Frank auch noch nicht eingetroffen sei. Weil sie sich etwas besorgt anhört, versuche ich am Apparat besonders selbstsicher zu wirken. Zu Fuß soll es bis Kematen fast drei Stunden dauern, …
… also gebe ich abschließend noch meine voraussichtliche Ankunftszeit (ETA) von kurz vor acht durch.
Dann geht es zur Abfahrt, …
… wo sich mir die Berge sehr stimmungsvoll im Gegenlicht zeigen:
Ich habe Frank noch auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass ich hoffe, keinen Platten zu bekommen – aber leider, ziemlich weit oben, …
… die dritte Panne der Tour – Menno!
Was soll’s, Flickzeug ist ja an Bord und damit will ich jetzt den alten Schlauch abdichten, der sich noch in meiner Satteltasche befindet:
So eine Reparatur ist ja eine komplexe Geschichte, deshalb habe ich hier mal die (für meinen Fall) optimale Abfolge der einzelnen Arbeitsschritte aufgeschrieben:
- Hole Flickzeug
- Lese Anleitung
- Hole Pumpe
- Pumpe alten Schlauch auf und finde Loch
- Flicke Loch
- Merke wie alles zusammengebaut aussieht
- Hänge Bremse aus
- Löse Schnellspanner
- Baue Hinterrad aus
- Baue kaputten Schlauch aus
- Baue geflickten Schlauch ein
- Baue Hinterrad ein
- Schließe Schnellspanner
- Hänge Bremse ein
- Pumpe Reifen auf
- Fertig!
Es ist schon Jahre her, dass ich das letzte Mal einen Reifen geflickt habe, weshalb ich heute auch die suboptimale Folge 8, 6, 7, 9, 1, 2, 3, 4, 5 wähle.
Warum bei 5 schon Schluss ist? An dem Punkt muss ich leider feststellen, dass der (bisher ungeöffnete) Kleber komplett leer ist, …
… anscheinend kann man das Zeug auch nicht ewig aufbewahren, Doppel-Menno!
Weil ich in der Hektik vergessen hatte, die Helmkamera auszuschalten, gibt es jetzt die Szene am Ende des Films zu bewundern – schön untermalt mit der Alphorn Fanfare von Engelbert Aschaber, der mir netterweise die Erlaubnis zur Verwendung seines Stücks gegeben hat.
Tja, das war’s dann wohl mit Abfahren: Ich baue also wieder alles zusammen und jogge mit dem Rad ins Tal.
Immerhin gibt es für mein Fotografenherz noch wunderschöne …
… Wolken:
Unten angekommen, …
… mache ich dann etwas langsamer …
… und komme deshalb erst um halb neun in Kematen …
… am Hotel an:
Boah, für heute reicht es dann auch erst mal!
Michael Holzheu
Hier der Film zur Alleinüberfahrung des Pfunderer Jochs: https://youtu.be/8hcVPwrOYMQ
Tja, ordentliches Flickzeug muss immer an Bord sein
Jo, *sollte* jedenfalls 🙂