Eine kleine Tennis Geschichte

Am Montag, den 23. Mai bin ich mal wieder in der Tübinger Altstadt unterwegs, um etwas Straßenmusik zu machen …

… und komme vor meinem Auftritt noch mit zwei jungen Männern ins Gespräch, die gerade mit ihren Tennistaschen in der Nähe stehen. Es stellt sich heraus, dass einer der beiden Tennislehrer beim TC-Tübingen ist.

Na das trifft sich ja gut, weil ich schon länger mal meine Kenntnisse auf diesem Gebiet verbessern wollte.

Kurzerhand vereinbaren wir eine Trainingsstunde und acht Tage später komme ich dann zum ersten Mal beim Tennisclub in der Gartenstraße an:

Die Anlage liegt sehr schön im Grünen direkt neben dem Neckar und verfügt über insgesamt 13 Sandplätze:

Mein Tennislehrer heisst wie ich auch Michael, will aber lieber “Michi” genannt werden. Zu Beginn der Stunde zeigt er mir erst mal, wie man mit merkwürdig orange gefärbten Bällen ordentliche Schläge macht:

In seinem Wagen befinden sich insgesamt drei unterschiedliche Balltypen, …

… nämlich die “normalen” gelben, die grünen “Stage One” und die orangen “Stage Two” Methodikbälle. Die bunten Bälle sind weicher, lassen sich leichter spielen und sind insbesondere für Kinder und Anfänger geeignet.

Auf einer Webseite finde ich folgende Angaben für die verschiedenen Typen:

Stage Farbe Druckreduzierung
Normal Gelb 0%
1 Gelb-grün 25%
2 Gelb-orange 50%
3 Gelb-rot 75%

Bei den “normalen” Filzkugeln gibt es noch die Unterscheidung zwischen den drucklosen Bällen, wo einfach unkomprimierte Luft enthalten ist und den mit Gas (z.B. Stickstoff) gefüllten Druckbällen, bei denen im Inneren 1,6 bis 2,2 Bar herrschen.

Damit sich bei letzteren das Gas nicht vorzeitig verflüchtigt, werden die Bälle in luftdichten Dosen verpackt, wo beim Öffnen der Überdruck mit einem gut hörbaren Zischen entweicht.

Übrigens waren die Bälle früher meistens schwarz oder weiß und erst in den 70er Jahren hat sich die heutige Färbung durchgesetzt. Der gebildete Sportwissenschaftler weiß natürlich auch, …

... warum die Farbe (Neon-)Gelb gewählt wurde?

Weil es endlich Farbfernseher gab und dort Gelb besser zu erkennen war.

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Nachdem genügend “Stage Two” Bälle gespielt sind, kommt dann mit der Ballsammelröhre das erste technische Hilfsmittel zum Einsatz:


Sehr nützlich, wenn man es im Kreuz hat, oder wie ich beim Bücken wegen Reflux Sodbrennen bekommt. Aber alte Tennis-Hasen brauchen solch neumodischen Kram natürlich nicht, sondern chippen die Bälle lässig mit dem Schläger direkt in den Korb:


Am Ende der Lehrstunde wird der Sandplatz dann mit dem Abziehbesen wieder glatt gebügelt:

Weil mir die Stunde sehr viel Spaß gemacht hat, beschließe ich dabeizubleiben und kaufe danach im „Städtle“ gleich noch passende Schuhe und Tennisklamotten ein:

Vor der zweiten Stunde entdecke ich in der Umkleide mit dieser stylischen Schuhtasche dann noch ein weiteres nettes Accessoire:

Auf alle Fälle sehe ich mit meinem neuen Outfit jetzt halbwegs vorzeigbar aus, was ja beim gepflegten Tennissport nicht ganz unwichtig ist:

Das Wetter ist heute recht wechselhaft und ein kräftiger Regenguss vertreibt uns erst Mal für ein paar Minuten vom Platz:


Nach dem Training probiere ich dann weitere Tennis-Technologie aus, nämlich diese Sohlenreinigungsmaschine:


So langsam wird es Zeit, einen Tennispartner fürs Training zu finden und glücklicherweise ist gerade auch jemand anderes auf der Suche, wenn auch der von “Jacky” gewünschte Altersbereich noch nicht hundertprozentig passt:

Ich genieße im Moment die sommerliche Zeit sehr und es ist auch wirklich herrlich hier am Neckar:

Es ist wieder Trainingsstunde und heute üben wir Ballkontrolle. Ich darf selbst bestimmen, wie groß mein Zielfeld sein soll und anfangs wähle ich sehr ambitioniert ein (zu) kleines Rechteck aus:

Dann werden Aufschläge geübt, wo mir Michi erst mal vormacht, wie das theoretisch geht:


Bei mir sieht der Ablauf zwar noch nicht ganz so professionell aus, trotzdem melde ich mich nach der Stunde optimistisch gestimmt schon mal zu meinem ersten Turnier an:

Um bis dahin fit zu werden, hat mir Michi einen passenden Übungspartner vermittelt, mit dem ich dann auch einen sehr sportlichen Tennisnachmittag verbringe: Axel ist Pilot und immer wochenweise entweder irgendwo in der Welt unterwegs oder eben in Tübingen (auch) für Tennis verfügbar.

Auch mit Jacky kommt dann ein Termin zustande. Er ist emeritierter Professor für Wirtschaftsinformatik und interessiert sich auch für Vögel. Na das passt ja super, an Gesprächsthemen für die Pausen sollte es uns also sicherlich nicht mangeln.

Nach dem entspannten Match stellen wir die Zeitschaltuhren auf zwei bzw. drei Minuten …

… und starten damit die Beregnungsanlage für die linke und rechte Platzhälfte:

Das Wässern ist nötig, weil ein zu trockener Platz ansonsten zu rutschig wird und der Sand vom Wind weggeweht werden kann. Ich habe irgendwo gelesen, dass dafür pro Platz im Jahr etwa 1500 Liter Wasser gerechnet werden.

Die Beschichtung eines Sandplatzes besteht übrigens aus Ziegelmehl, welches aus alten zerkleinerten Ziegelsteinen gewonnen wird. Um heute so einen Platz zu bauen, muss man wohl etwa 30.000 Euro berappen.

Das bedeutendste Sandplatz-Turnier ist das French Open in Paris, eines der vier Grand-Slam-Turniere:

Turnier Land Belag
Australian Open Australien Hartplatz
French Open Frankreich Sand
Wimbledon England Rasen
US Open USA Hartplatz

Deutschland ist hier zwar nicht vertreten, trotzdem wähle ich beim Abschluss-Training heute mal mein schwarz-weißes Nationaltrikot Outfit:

Am Ende der Stunde gibt mir mein Trainer das OK, dass ich jetzt gut genug für das morgige Turnier bin :

Auf das Treppchen reicht es dann aber noch nicht ganz und am Ende der Veranstaltung stehen, wie erwartet, die erfahrenen Spieler*innen ganz oben:

Beim nächsten Training machen wir eine interessante Übung, um meine Treffsicherheit auf die Weite zu verbessern, …

… wobei das Feld in drei Zonen aufgeteilt wird:

Für den hinteren Bereich gibt es zwei Punkte, für den Mittleren einen und beim Vorderen gibt es einen Punkt Abzug. Am Ende sollen insgesamt 30 Punkte erreicht werden.

Ich finde die Übung besonders spannend, weil immer die Gefahr besteht, dass es auch rückwärts geht und man das Ziel dadurch vielleicht nie erreicht.

Anschließend machen wir noch den sogenannten Hosenträger, auch Briefkuvert genannt, wo der Eine immer Longline und der Andere Cross spielen muss:

Nach der Übungsstunde habe ich immer noch Lust auf Tennis. Netterweise stellt sich “Roland” mit Tennisrufnamen “Role” spontan für ein kleines Match zur Verfügung.

Er ist Linkshänder, was mir aber erst einmal gar nicht auffällt.

Im Internet wird behauptet, dass diese besonderen Zeitgenossen einen psychologischen Vorteil hätten, weil sie für die “Normalos” verwirrend spiegelbildlich agieren. In den 70er und 80er Jahren waren beispielsweise Jimmy Connors und John McEnroe mit ihrer unorthodoxen Schlagweise extrem erfolgreich.

Vom Niveau solcher Tennisgrößen bin ich natürlich noch Lichtjahre entfernt. Um mich weiter zu verbessern, spiele ich deshalb auch immer wieder mal an der Tenniswand:

Der Leiter der Tennisschule, Hans-Otto Hiestermann (Tennisrufname “HO”), hat mir erzählt, dass er seine Technik vor allem mit endlosen Spielen gegen solche Wände erlangt hat. Man kann mit dieser Methode auf alle Fälle innerhalb kurzer Zeit wesentlich mehr Bälle schlagen, als man das mit einem menschlichen Gegenüber schafft.

Am 30. Juni komme ich mal wieder voller Motivation auf den Platz und muss dann frustriert feststellen, dass das Training erst morgen stattfindet . Netterweise leiht mir Michi zum Trost einen Wagen voller Bälle, um wenigstens noch ein paar Aufschläge zu üben:

Anschließend jage ich dann drei volle Wagenladungen über das Netz:

Beim nächsten Match gegen Jacky überredet mich dieser, statt meiner grünen “Stage One” Bälle heute zur Abwechslung mal seine brandneuen Dunlop Druckbälle (?) auszuprobieren:

Allerdings habe ich mit den rein gelben Filzkugeln noch so meine Schwierigkeiten, weil diese weiter fliegen und deshalb viele meiner Returns im Aus landen.

Beim nächsten Training bringt Michi neue Schläger mit:

An unterschiedlichen Stellen sind die Spezifikationen vermerkt. Hier zum Beispiel Schlägerkopfgröße mit 100 Quadrat-Inch/Zoll, was dann 645 cm² Fläche bedeutet:

Der Mathematik-Experte kann natürlich sofort die Formel angeben, um aus den zwei Werten zurückzurechnen,

... wieviele metrische Zentimeter einen angloamerikanischen Inch ergeben?

Quadratwurzel(645 cm² / 100) = Quadratwurzel(6,45 cm²) = 2,54 cm

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Im Internet habe ich noch gelesen, dass ein größerer Schlägerkopf mehr Beschleunigung erlaubt, aber dafür etwas schwerer zu kontrollieren ist.

Hier ein Überblick über die vier Größenkategorien:

Fläche in cm² Fläche in inch² Schlägerkopfgröße Englisch
< 626 cm < 97 inch² Klein Midsize (Mid)
626 – 677 cm² 97 – 105 inch² Standard Midplus (MP)
678 – 742 cm 106 – 115 inch² Groß Oversize (OS)
> 742 cm² > 115 inch² Sehr groß Super Oversize

Als weiteren Parameter des Schlägers gibt es noch die Griffstärke, die hier sowohl in Inch/Zoll (4 3/8) als auch als europäische Größenkategorie (3):

Oft ist die Zahl auch am Griffende eingeprägt:

Hier ein Überblick über die verschiedenen Stärken:

Umfang in mm Größe in Zoll Europäisch
100-102 4 0
103-105 4 1/8 1
106-108 4 2/8 bzw. 4 1/4 2
109-111 4 3/8 3
112-114 4 4/8 bzw. 4 1/2 4
115-117 4 5/8 5

Und weiter geht’s mit dem Training, wo wir heute zunächst eine Übung im Kleinfeld machen. Michi macht dafür mit dem Linienbesen extra noch die Begrenzung schön sauber:

Richtiges Kleinfeldtennis ist für Kinder gedacht und das Feld dafür entsteht, indem man auf der Aufschlagmittellinie ein Netz aufstellt …

… und die T-Linie bis zu den Seitenlinien des Doppelfeldes verlängert:

Mittlerweile bin ich in den Tennisclub eingetreten, der für Vollmitglieder 365,- Euro plus 70,- Euro “Bausteingebühr” (in den ersten drei Jahren) verlangt:

Dafür kann man aber auch so oft man will auf den Sandplätzen spielen. Die Benutzung der Hallen im Winter kostet nochmals extra. Gäste dürfen für 10 Euro mitgenommen werden, allerdings nur 5-mal pro Saison:

Den Tennisclub gibt es schon seit über 100 Jahren, er hat etwa 1.000 Mitglieder und letztes Jahr sind wohl 148 neue Tennisspieler hinzugekommen.

Bis vor kurzem gab es hier auch ein italienisches Restaurant, das wegen Corona aber leider schließen musste:

Als ich meinem Künstlerfreund Michael, der in der Nähe des Tennisclubs lebt, von der Schließung erzähle, ist dieser etwas betrübt, weil er das Essen dort wohl immer lecker fand.

Den ehemaligen Betreiber “Giovanni” hatte ich beim Round-Robin-Turnier bereits kennengelernt und heute haben wir uns für ein Match verabredet.

In der Mittagshitze spielen wir insgesamt fünf Sätze, wo mir der gebürtige Sizilianer aber keine Chance lässt. Nur zwei Spiele kann ich für mich entscheiden und nach über zwei Stunden …

… legen meine Füße Zeugnis darüber ab, wie viel ich über den selten gewässerten und entsprechend staubigen Platz 12 laufen musste:

Es hat aber trotzdem Spaß gemacht. Am Ende schenkt mir Giovanni dann noch einen Vibrationsdämpfer, der an der untersten Quersaite angebracht werden sollte:

Angeblich wurde dieses Gummiteil 1964 vom französischen Modeschöpfer René Lacoste erfunden, um dem bekannten Tennisarm Sportler-Leiden entgegenzuwirken.

Allerdings ist diese Wirkung wohl umstritten und “wissenschaftlich” nicht belegt. Sicher ist aber, dass das “Nachsingen” der Saiten verkürzt wird und sich so der Klang des Schlägers verändert.

Als ich mal wieder mit Jacky am Spielen bin, beobachte ich zwei Arbeiter beim Verstreuen von Salz an den Rändern des Tennisplatzes:


Damit sollen die Moose und Flechten beseitigt werden, welche sich hier gerne ansiedeln:

Es wird dabei ganz normales Streusalz verwendet:

Als ich wieder mal an der Wand trainiere, komme ich mit einer Ärztin aus Polen ins Gespräch, die gerade neben mir spielt.

Sofort bringe ich stolz mein neues Tenniswissen an die Frau und erkläre ihr sehr überzeugend die Sache mit der Druckreduzierung bei den Methodikbällen:

Mitten in der Erklärung fällt mir plötzlich auf, dass diese Bälle dann ja im Vergleich zu den “normalen” drucklosen Kollegen eigentlich einen Unterdruck haben müssten. Hmm, das kommt mir jetzt doch komisch vor und die Sache muss offensichtlich noch weiter untersucht werden .

Mal wieder ein gutes Beispiel dafür, dass man mit gefährlichem Halbwissen (aus dem Internet) vorsichtig umgehen sollte und man im Zweifel besser etwas wartet, bis man die Welt mit seiner Weisheit beglückt.

Und für mich wird es jetzt sowieso Zeit, diesen Bericht abzuschließen. Zum Schluss gibt es noch eine kurze Dokumentation des aktuellen Trainingsstandes, wo sich der Leiter der Tennisschule „Hans-Otto Hiestermann“ freundlicherweise als Partner für das Video zur Verfügung gestellt hat:


Ja, so schön kann Tennis sein – viele sportliche Grüße aus Tübingen!

Michael Holzheu

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