Meine erste MPU: Eine friedliche Welt?

Nachdem mir die logische Unvereinbarkeit des dritten Gutachtens mit der Empfehlung von Herrn W. etwas Kopfzerbrechen bereitet hat, berichte ich meinem Verkehrspsychologen von den neuen Erkenntnissen:

Dieser bleibt aber bei seiner alten Position und empfiehlt mir, als Ziel immer noch den kontrollierten Umgang mit Alkohol anzustreben und nicht den kompletten Verzicht. Zumindest, wenn das Ergebnis eine positive MPU sein soll.

Jetzt will ich aber doch noch TÜV Süd fragen, welche Möglichkeiten ich denn hätte, glaubwürdig rüberzukommen, wenn ich tatsächlich ein Leben ohne Alkohol anstreben sollte – so wie es Herr G.-K. von mir gefordert hat.

Offensichtlich sind dort aber alle ziemlich beschäftigt, weshalb es mit der Kommunikation per Telefon (gleich mehrfach) nicht so recht klappen will. Am Ende formuliere ich mein Anliegen dann schriftlich:

Weil sich auch auf diese E-Mail niemand zurückmeldet, versuche ich es dann nochmals telefonisch und erreiche endlich eine freundliche junge Dame. Diese läßt mir dann vom Herrn G.-K. ausrichten, dass die Antwort auf meine Frage doch im Gutachten stehen würde.

Als ich dem widerspreche, darf ich noch mit Herrn V. sprechen, der mich bei der letzten MPU medizinisch untersucht hat.

Er meint, dass er keine Möglichkeit sehe, hier etwas zur Unterstützung meiner Glaubwürdigkeit zu tun. Außerdem deutet er an, dass die Psychologen eben auch nur Menschen seien und im Zweifel mein Gutachten vielleicht auch einfach falsch gewesen sein könnte.

Was soll’s, wichtiger wäre es sowieso, irgendwie zu belegen, dass meine zwei Vergehen singuläre Ausnahmen waren und ich eben nicht ständig betrunken mit dem Auto herumfahre.

Weil mir aber auch hier die Prüfstellen bisher nicht sagen konnten, wie ich bezüglich dieser Gretchenfrage meine Glaubwürdigkeit erhöhen könnte, schreibe ich aus Verzweiflung kurz vor Weihnachten noch einen ganzen Schwung Briefe an Freunde, Bekannte und Verwandte:

In den Schreiben bitte ich darum, wenn möglich zu bezeugen, dass ich ein ordentlicher Mitbürger bin, der bezüglich Alkohol und Straßenverkehr bis auf die zwei Ausnahmen alles richtig gemacht hat.

Ich hatte ja zur ersten und dritten MPU bereits zwei Erklärungen mitgebracht, welche aber nicht gewürdigt wurden. Jetzt hoffe ich, dass die Prüfer durch die schiere Menge der Aussagen vielleicht doch noch überzeugt werden können.

Von einem alten Arbeitskollegen erhalte ich dann aber erst mal eine negative Rückmeldung, weil er den ganzen Plan nicht für erfolgversprechend hält. Seiner Meinung nach würden sich die MPU-Experten sowieso nicht die Zeit nehmen, die Dokumente durchzulesen und meine einzige Chance wäre es, einfach ihren Forderungen nachzukommen.

Zumindest im letzten Punkt hat mein alter Kollegen wahrscheinlich Recht und immerhin hat mir Herr G.-K. ja auch ein paar konkrete Hausaufgaben mitgegeben:

Als Aufgabe Eins sollte ich weitere Stunden bei Verkehrspsychologen belegen.

Um etwas Zeit zu sparen, suche ich zunächst im Internet nach Online-Angeboten und finde eine vielversprechende Seite.

Ein junger Mann meldet sich, der mich sofort mit du anspricht. Er erklärt mir, dass ich für 2.700 Euro ein Rundum-Sorglos Paket mit Geld-zurück-Garantie erwerben könnte. Dafür bekommt man dann eine intensive Schulung mit einer abschließenden MPU-Simulation.

Für die eigentliche Begutachtung habe man spezielle Partner, mit denen man bereits über viele Jahre erfolgreich zusammenarbeitet.

Wenn ich mich daran halte, was mir beigebracht wurde, garantiert er mir, dass ich die MPU bereits beim ersten Mal bestehen werde. Angeblich würden das 98% ihrer Prüflinge schaffen und sogar der Fußballer Mario Basler hat’s gepackt:

Menno, rückblickend hört sich diese Angebot wirklich verlockend an. Da hätte ich mir vielleicht tatsächlich viel Ärger, Zeit, Stress und sogar den ein oder anderen Euro sparen können.

Aber in Hinblick auf meine ganze Historie, erscheinen mir jetzt die Kosten als doch etwas zu hoch. Außerdem erscheint mir das Ganze ja auch etwas dubios und in Deutschland sollte es doch auch möglich sein, ehrlich ans Ziel kommen, oder etwa nicht?

Also frage ich wieder bei meiner Frau R. nach, welche aber gerade im Urlaub weilt und sich deshalb erst mal nicht bei mir meldet. Auch meine Frau S. ist wohl beschäftigt und kann keinen weiteren Stunden anbieten. Deshalb buche ich dann wieder bei Verkehrspychologe Herr W. zwei weitere Sitzungen.

Beim ersten Treffen besprechen wir die Rückrechnung für die Motorradfahrt. Herr G.-K. hatte ja bei der letzten MPU moniert, dass meine Kalkulation fehlerhaft sei. Nach seiner Berechnung kämen zu meinen 6 Bier noch mindestens 10 Schnäpse hinzu.

Herr W. empfiehlt die Webseite “Kenn-dein-Limit”, welche wohl seriöse Werte liefern soll. Nach der Eingabe meiner 6 Bier überfliegen wir das Ergebnis und die Werte passen dann doch halbwegs zu meinen Berechnungen:

Für die Aufgabe Zwei geht es zur vierten Haaranalyse wieder nach Stuttgart. Dieses Mal treffe ich statt Nicole eine wirklich seltsame Dame aus Bayern und vor lauter Schreck fällt mir gleich mein Kaffee aus der Hand:

Für Aufgabe Drei besuche die Anonymen Alkoholiker in Tübingen, welche sich regelmäßig ein einem Wohnhaus mit recht abgelegenen Eingang treffen:

Allerdings fühle ich mich dann bei der Veranstaltung irgendwie Fehl am Platz und bei den berichteten Alkoholmengen wird mir beinahe schwindelig. Da kann ich absolut nicht mithalten, denn ich kenne mein Limit:

Echte MPU-Blog-Mitleser wissen natürlich auch, wo genau das liegt?

Bei sieben halbe Bier!

[Einklappen]

Und wo wir gerade wieder beim Thema sind, im Zuge der Recherchearbeiten für diesen Artikel schaue ich mir die Ergebnisse von der “Kenn-dein-Limit” Webseite nochmal etwas genauer an:

Messung
Betrachtet man allerdings den von der österreichischen Polizei um 10:33 ermittelten Alkoholwert, scheint die “Kenn-dein-Limit” Berechnung zunächst der Argumentation von Herrn G.-K. Recht zu geben und ich hätte wohl tatsächlich noch ein paar Schnäpse mehr gebraucht, um auf die gemessenen 0,62 ‰ zu kommen.
« von 7 »

Als Schlussfolgerung aus dieser Untersuchung würde ich jetzt einfach mal behaupten, dass die “Kenn-dein-Limit” Webseite offensichtlich einen Tag/Nacht-Wechsel Bug hat und dann das Programm von Herrn G.-K. wohl ebenfalls fehlerbehaftet sein muss:

Oje, wem oder was kann man heutzutage eigentlich noch vertrauen? Ich jedenfalls bin relativ sicher, dass in diesem Fall meine Version der Wahrheit korrekt(er) ist.

Was die Strategie in der MPU angeht, bin ich da allerdings noch nicht ganz so überzeugt. Besonders an depressiv belasteten Tagen überlege ich immer wieder, ob es vielleicht doch besser wäre, statt der Wahrheit, den Prüfern ganz pragmatisch einfach das zu erzählen, was sie hören wollen.

Aber am Ende entscheide ich mich schließlich dann doch dagegen, u.A. wegen folgender kleiner Begebenheit in meinem politischen Chor:

Dort hatten wir nämlich einen Auftritt bei einem Benefizkonzert zum Urkraine-Krieg. Bereits im Vorfeld gab es heftige Diskussionen, u.A. weil auf dem Flyer neben unserer Außenministerin auch die “angebliche Alternativlosigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine” kritisiert wurde.

Obwohl wir ja ein “linker” Chor sind, konnten sich doch viele nicht mit dem Text identifizieren und am Ende wurde auf unseren Wunsch hin ein großer Teil des Flyer-Textes gestrichen.

Ironischerweise veröffentlicht dann das Schwäbische Tagblatt einen Tag nach dem Konzert einen Bericht, bei dem genau unter unserem Bild steht, dass wir gegen die (westlichen) Waffenlieferungen ansingen:

Chorgesang für den Frieden in der Ukraine und gegen westliche Waffenlieferungen
Chorgesang für den Frieden in der Ukraine und gegen westliche Waffenlieferungen

Was mich in der internen Diskussion zu dem Thema besonders inspiriert hat, war ein Redebeitrag eines Kollegen, der meinte, dass man hier einfach Rückgrat zeigen sollte und nicht alles akzeptieren müsse, was die Zeitung schreibt. Daraufhin wurde von unserer Chorsprecherin ein Leserbrief und von besagtem Kollegen auch noch eine Gegendarstellung an das Schwäbische Tagblatt geschickt.

Das hat dann tatsächlich auch meinen Kampfeswillen wieder etwas angestachelt und ich beschließe darauf hin, den Verkehrspychologen wenigstens noch ein letztes Mal die Stirn zu bieten. Also nochmal Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

Interessanterweise stolpere ich dann im Internet über ein Statement vom ADAC, dass jetzt zur Erhöhung der Transparenz endlich Audio-Aufzeichnungen von MPU-Gesprächen erlaubt seien.

Na das hört sich doch gut an! Sofort frage ich sowohl bei IBBK als auch TÜV Süd nach, ob dies auch bei ihnen möglich sei. Von beiden Einrichtungen erhalte ich daraufhin aber eine Absage.

Nach und nach treffen dann die Zeugnisse ein, womit ich den gesamten Zeitraum meines vom Alkohol geplagten Lebens abdecken kann:

Zusammen mit der Erklärung, welche ich für mich selbst verfasst habe, besitze ich jetzt also 12 Patronen in meiner virtuellen Kanone für den großen Kampf am kommenden Montag:

Das sollte doch dann hoffentlich ausreichen, um den bösen Feind endgültig in die Knie zu zwingen. Aber vielleicht geht es ja auch ganz anders?


Kämpferische und trotzdem friedliebende Grüße

Michael Holzheu

PS: Übrigens kann hier jeder die Geschichte eines Teils der Wahrheit verfolgen!

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